Rede anlässlich des Grünen Neujahrsempfangs für die Schweinfurter Stadtgesellschaft am 24. Januar 2020

Anrede,

der Regensburger Professor für Energiespeicher und Energiesysteme, Michael Sterner, engagiert sich bei Scientists for Future. Er hat mich Ende 2019 als Gast in der BR-Late-Night-Show Ringelstetter beeindruckt – mit drei schlichten Fragen an das Publikum. Die erste: Wer von Ihnen glaubt, dass es uns heute besser geht, als unseren Großmüttern und Großvätern? Wenn Sie das denken, dürfen Sie ruhig die Hand heben…

Holger Laschka spricht

Holger Laschka – Bündnis 90/Die Grünen – Foto: 2fly4

Zweite Frage: Wer von Ihnen glaubt, dass es uns heute besser geht, als es unseren Enkeltöchtern und Enkelsöhnen gehen wird? – Auch das denken wir fast alle. Und letzte Frage: Wer findet das so in Ordnung? … Mich macht diese simple Erkenntnis, dass wir es sind – unsere Generation –, die auf dem Höhepunkt des Wohlstands lebt und gleichzeitig, dass uns das sehr bewusst ist, sehr nachdenklich. Es ist natürlich nicht in Ordnung, dass es nach unserer maßlosen Lebensparty absehbar vielen schlechter gehen wird. Und es ist gut, dass wir das wissen und deshalb jetzt in Verantwortung für künftige Generationen etwas dagegen tun können.

Weshalb glauben wir alle eigentlich, dass es unseren Enkeln und Urenkeln schlechter gehen wird als uns und was ist der Maßstab für dieses, unser gutes Leben? Was brauchen wir dafür? Es gibt diesen Sparkassen-Werbespot von 1995, viele hier dürften ihn kennen: Schröder trifft Schober nach vielen Jahren zufällig im Restaurant. Der zückt drei Fotos: Mein Haus, mein Auto, mein Boot. Schröder kontert: mein Haus, mein Auto, mein Boot – alles größer. Und: meine Pferde – 3 Stück, meine Pferdepflegerinnen – auch drei und sehr sexy. Schröder hat natürlich einen Anlagenberater von der Sparkasse…

An diesem Spot sind nicht nur die sexy Pferdepflegerinnen aus der Zeit gefallen. Auch die Seifenblasen-Illusion, dass gutes Leben allein auf materiellem Wohlstand gründet – das größte Boot, das dickste Auto, die meisten Fernreisen –, ist längst geplatzt. Wir machen uns heute vielmehr Sorgen, dass gutes Leben in Zukunft nicht mehr möglich ist, weil unsere natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet sind – und zwar genau weil wir heute und hier zu gut leben. Es sind unsere Kinder – Schülerinnen und Schüler –, die mit Macht darauf drängen, dass sich daran etwas ändert. Und – erinnern wir uns an die drei Fragen des eingangs erwähnten Professors von Scientists for future: Wir wollen es ja auch!

Damit gutes Leben für alle nach neuen Maßstäben auch in Zukunft möglich ist, brauchen wir heute

  1. Energisches Handeln im Kampf gegen die Erdüberhitzung, um einen Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad im Jahresmittel zu verhindern. Wir stehen heute übrigens schon bei 1,5 Grad.
  2. Wir müssen unsere eng bebauten Städte – also auch Schweinfurt – klimafest machen, im Sommer auf natürliche Art kräftig herunterkühlen, damit vor allem schwächere Menschen – Ältere, Kinder, Kranke – weiter gut hier leben können. [Exkurs Würzburg: Unterschied an Sommertagen zwischen Marktplatz und Hubland bis zu sieben Grad Celsius – Prognose „über 50 Tage über 30 Grad“ in einer Generation]
  3. Wir müssen bei alldem unsere Stadtgesellschaft zusammenhalten und die Herausforderungen gemeinsam angehen und meistern.

Für Schweinfurt haben wir Grünen gemeinschaftlich ein ambitioniertes, zukunftsweisendes Programm erarbeitet. Wir wollen neue Wege gehen vor allem bei den Themen Mobilität, ökologische Energiewende und Anpassung unserer Stadt an Hitzesommer und Dürrejahre infolge der Klimakatastrophe. Ich möchte zu diesen drei Säulen, auf denen unser Zukunftsprogramm für Schweinfurt ruht, kurz einige Ausführungen machen.

  1. Mobilität: Jeder zweite Mensch in Deutschland hat kein Auto. Klar, darunter sind auch Kleinkinder, aber auch viele Schulkinder und Jugendliche, die bereits ein Mobilitätsbedürfnis haben, das vielerorts nicht erfüllt wird. Ältere Menschen, die nicht mehr Auto fahren können oder wollen. Und eine junge Generation, der das Auto nicht mehr so wichtig ist, die zum Teil gar keinen Führerschein mehr macht. Funktionierender Öffentlicher Personenverkehr ist deshalb die demokratischste und sozialste Form der Fortbewegung – der Bus nimmt alle mit. Mein Auto nur mich. In Schweinfurt haben wir zwar, wie ich gelernt habe, die meisten Haltestellen. Aber früh morgens, abends, am Wochenende kommt halt kein Bus (oder nur selten). Das ganze noch im überholten, so genannten „Sternverkehr“ – das heißt: Jeder Bus dieselt mitten in die City, zum Roßmarkt, Querverkehre – zum Beispiel vom Bahnhof in die nördlichen Stadtteile – werden nicht angeboten. Wir Grünen schlagen deshalb eine Ringbahn vor, die vom Hauptbahnhof über das Bildungszentrum, die Sportanlagen, die neuen Wohnviertel und den Campus in Richtung Innenstadt Nord verkehrt, und südlich zurück über Museum Schäfer, Dürer-Platz, Stadtgalerie, Schaeffler zum Bahnhof. Die Tram als modernes urbanes Transportmittel erlebt derzeit europaweit eine Renaissance. Sie ist wegen der langen Nutzungsdauer der Schienen und Bahnen am Ende genauso bezahlbar wie der Bus und sie genießt bei den Menschen eine deutlich höhere Akzeptanz als bequemer, pünktlicher, zuverlässiger Nahverkehr. Für die Mobilitätsbedürfnisse in Schweinfurt wäre sie eine echte Bereicherung. Wir wollen natürlich auch den übrigen Verkehrsraum in Schweinfurt neu aufteilen: sichere Fuß- und Radwege schaffen, der wachsenden Zahl der eBike-Nutzer Raum geben. Wir wollen Sharingsysteme fördern – eCar, eBike, eScooter – und zwar so, dass sie gern genutzt werden. Also: Auto oder Fahrrad hier holen, dort abstellen, alles flexibel über eine App, auf der ersichtlich ist, wo derzeit Leihfahrzeuge bereitstehen. So ermöglichen wir vielen Familien vielleicht den Verzicht aufs Zweitauto – das spart Geld, Parkraum, verbessert die Luft in unserer Stadt und vor allem: Wir senken den CO2-Ausstoß und leisten unseren Beitrag zum Klimaschutz.
  2. Ökologische Energiewende: Es ist doch zum Schämen, dass wir als Zukunfts-, Wissenschafts- und Industriestadt uns vom kleinen Haßfurt nebenan zeigen lassen müssen, wie Energiewende geht. Dort: Zwei Windparks im Umland mit 13 Windkraftwerken, Freiflächen und Dachflächenphotovoltaik im Contractingmodell, angeboten vom Stadtwerk Haßfurt, eine Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff aus Grünstromüberschüssen und ein Wasserstoff-Blockheizkraftwerk um in wind- und sonnenschwachen Zeiten sauberen Strom und saubere Wärme für den heimischen Markt zu erzeugen. Hier: 3 Windräder, ein bisschen Dachphotovoltaik und der OB verweist stolz auf ein 57 Jahre altes Wasserkraftwerk, das zu drei Vierteln der Rhein-Main-Donau AG gehört. [Märchen: Könnte Schweinfurter Privathaushalte komplett mit Strom versorgen -> stimmt auch nicht, es reicht für nicht einmal ein Viertel…]. Wir wollen deshalb, dass die Stadtwerke sich als Treiber der ökologischen Energiewende begreifen, das muss ihr Selbstverständnis sein! Wir wollen, dass das Photovoltaikpotenzial auf Schweinfurts Dächern – da haben wir wirklich die Chance, alle Haushalte mit Strom zu versorgen – genutzt wird, alle Neubauten ein Sonnendach erhalten, Schweinfurt auch grünen Wasserstoff produziert – und damit vielleicht einmal einen Wasserstoffzug in Richtung Gerolzhofen auf der Steigerwaldbahnstrecke betreibt – und wir wollen, dass die Stadtwerke Standorte für weitere Windkraftanlagen suchen und prüfen.
  3. Klimafolgenanpassung: Vor 1990 sind wir Grünen – damals zehn Jahre alt und von uns selbst ziemlich überzeugt – mit dem Slogan „Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter“ in den Bundestagswahlkampf gezogen. Erstmals war auf den Wahlplakaten auch von einer drohenden Klimakatastrophe zu lesen. Die Menschen wollten ein Jahr nach dem Fall der Mauer aber doch lieber über Deutschland reden, die West-Grünen sind mit nur 4 Prozent aus dem Bundestag geflogen. Heute, 30 Jahre später, 30 verlorene Jahre im Kampf gegen die Erdüberhitzung, reden fast alle über das Klima. Leider hat das jahrzehntelange Nichthandeln beim Kampf gegen die Erdüberhitzung dazu geführt, dass wir nun nicht nur viel schneller den Hebel umlegen müssen beim CO2-Ausstoß, sondern dass wir unsere Städte und auch Schweinfurt anpassen müssen an die Folgen der Klimakatastrophe, an immer heißere Sommer, immer trockenere Jahre. Wir wollen in Schweinfurt deshalb die grünen Inseln in Grünen Bändern verbinden, im Untergrund verrohrtes Wasser an die Oberfläche bringen, versiegelte Plätze – Schillerplatz, Zeughausplatz – aufbrechen und bepflanzen, mehr Bäume in die Stadt bringen, Dächer begrünen und auch unsere Bus- und künftigen Tramhäuschen. So soll Schweinfurt zur Schwammstadt werden, die Regenwasser speichert und an warmen Tagen über dessen Verdunstung die Stadt und ihre Gebäude kühlt. Und – auch das möchte ich ansprechen: Wir wollen wieder über wirksamen Baumschutz in Schweinfurt reden. Es ist nicht Privatsache, wenn ein Investor ein Grundstück kauft und dann erstmal acht 50 Jahre alte Bäume fällt, damit er sein neues Mehrfamilienhaus schön planen und bauen kann. Bäume sind überlebenswichtiges Gemeingut, egal wo sie stehen und ich glaube, dass das Bewusstsein hierfür gerade im letzten Jahr, in dem sogar CSU-Ministerpräsident Söder die dickste Platane im Hofgarten vor der Staatskanzlei medienwirksam umarmt hat – erheblich gestiegen ist.

Soweit drei Spotlights aus unserem Zukunftsprogramm für Schweinfurt, mit dem wir Grünen uns für den Stadtrat zur Wahl stellen – erstmals mit 44 Kandidatinnen und Kandidaten, vorbildlich „durchgegendert“, wie das neudeutsch heißt und mit unserer Ayfer Rethschulte als Spitzenkandidatin auf Platz eins. Und mit diesem Zukunftsprogramm bewerbe auch ich mich für das Amt des Oberbürgermeisters meiner Geburts- und Heimatstadt Schweinfurt. Ich bin überzeugt, dass wir Grünen am 15. März unser bestes Wahlergebnis erzielen können und anschließend als starke grüne Kraft im Stadtrat leidenschaftlich und zuversichtlich unseren Beitrag zu einer guten Zukunft Schweinfurts leisten können. Schweinfurt. Mutig voran! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit…